César Luis Menotti

 Der Fußball-Poet wird 80

Von Anne Herberg


César Luís Menotti 1981 (imago sportfotodienst)
„In Erinnerung bleiben die Teams, die mit gutem Spiel gewonnen haben“, hat César Luis Menotti einmal gesagt. Menotti propagierte „linken“, schönen Fußball. Er wird nun offiziell 80 Jahre alt, obwohl sein eigentlicher Geburtstag schon einige Tage vorbei ist.
„Heute als ich aufgestanden bin und gesehen hab, dass der Verband AFA ein Grundstück in Marbella, Spanien gekauft hat um einen neuen Messi zu suchen.. da hab ich gedacht, das gibt es doch nicht“, sagt César Luis Menotti.
„Hier in Argentinien haben die Klubs kein Wasser! Es gibt kein Geld für die Nachwuchsförderung! Und sie suchen einen Crack in Europa. Damit zerstören sie den südamerikanischen Fussball doch selbst. Unglaublich! Eine Schande dieser Laden! Da krieg ich Halsweh. Sowas macht mir echt Lust, sich von hier zu verpissen und nach Uruguay zu ziehen.

„Dem Fußball Poesie gegeben“

So ist er. Wortgewaltig, frei heraus, Chefkritiker des Kommerzes und der Korruption im aktuellen Fussball und oberster Verfechter des Wahren, Guten und Schönen. Auch mit 80 Jahren noch.  Trainerikone César Luis Menotti, der Dürre, el Flaco, wie ihn in seiner Heimat alle nennen,
Fans sagen über ihn: „Für uns ist der Flaco das Größte, was es gibt! Er hat für uns den ersten Weltmeister-Titel geholt. Außerdem ist er einfach ein guter Typ. Ich liebe ihn!
Vielen Dank, Flaco, dass du dem Fussball Poesie gegeben hast, und vor allem auch Courage und Werte
Die Wahrheit ist, er hat den Fussball revolutioniert, sogar Pep Guardiola kam, um von ihm zu lernen.“

César Luís Menotti 1983 beim FC Barcelona (imago sportfotodienst)

Linker, Bonvivant, einstiger Kettenraucher. Keiner philosophierte so schön über die Welt des runden Leders wie Menotti, bis vor wenigen Jahren, vor allem wenn es um seine Theorie des linken und des rechten Fußballs ging – um Spielintelligenz, Fantasie und Leidenschaft statt den verbissenen Kampf um Resultate, bei dem der Zweck jedes Mittel heiligt.
Menotti sagte: „Der Ball ist für den Spieler wie die Worte für den Poeten, am Fuss oder auf dem Kopf mancher Spieler wird er zum Kunstwerk. Das wichtigste, was mir der Fussball gegeben hat, ist ein Mittel, mit dem ich mich ausdrücken konnte.“
Seine Spieler hätten die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt, Menottis wohl berühmtester Satz – gesagt im Moment seines größten Triumphes, der zusammenfiel mit der größten Niederlage seines Landes. 1978, in Argentinien herrschte eine grausame Militärdiktatur. Menotti, selbst Mitglied der kommunistischen Partei, holte den ersten WM-Pokal des Landes, während wenige Kilometer vom Stadion entfernt Regimegegner gefoltert und ermordet wurden.

80 und kein bisschen leise

Menotti sagte: „Ich hatte nie eine Beziehung zu den Militärs, ging zu keinem Gala-Dinner. Das wahre Ausmaß der Grausamkeiten kam dann erst später ans Licht, es sind Dinge, die einem nicht in den Kopf gehen wollen, sie haben Menschen verschwinden lassen, getötet!“
Ein Jahr später gewann Menotti dann auch noch die U20-Weltmeisterschaft, mit einem gewissen Diego Armando Maradona, damals 18 –und klar wird er immer wieder gefragt: Messi oder Maradona?
Menotti will das nicht entscheiden: „Nein, nein, das sind zwei komplett unterschiedliche Persönlichkeiten. Beide außergewöhnlich, in ihrer Zeit. Der Diego war einer, der immer Paroli bot, das Spiel war alles für ihn, verschoss einen Pass und kritisierte sich eine Woche lang, sein Leben war der Fussball.“
Menotti selbst hat ebenfalls keine Absichten, es mit 80 ruhiger angehen zu lassen – gerade arbeitet er am Aufbau einer Online-Trainerschule. Geboren wurde er übrigens schon am 22. Oktober 1938, ein paar Tage vor seinem offiziellen Geburtstag am 5. November – denn sein Vater musste zwei Tage nach der Geburt vereisen und verpasste die Frist zur Einschreibung beim Standesamt in der Heimatstadt Rosario. Da habe er einfach ein späteres Geburtsdatum angegeben.
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